Am Puls der Inflation

Auf beiden Seiten des Atlantiks wird die Inflation zweifellos das ganze Jahr 2023 über ein wichtiges Thema gewesen sein. Ende letzten Jahres haben die vielen guten Nachrichten in diesem Bereich den Rückgang der langfristigen Zinssätze und die Erwartung niedrigerer kurzfristiger Zinssätze durch die Europäischen Zentralbank und der Federal Reserve verstärkt. Die EZB schien auf ihrer Sitzung des geldpolitischen Ausschusses Mitte Dezember sogar einen Schwenk vorzunehmen, indem sie u. a. argumentierte, sie werde darauf achten, nicht den Fehler zu begehen, eine zu restriktive Geldpolitik…  zu lange aufrechtzuerhalten! Kommt der Kampf gegen die Inflation, den die Zentralbanken 2022 begonnen haben, zu einem Ende?

Diese Serie von Beiträgen, die wir heute beginnen, soll einen Überblick über diese Frage geben. 

Ein noch nicht gewonnener Kampf

Die Fakten

Sowohl in den USA als auch im Euroraum ging die Inflation 2023 zurück (Grafik 1). Der Rückgang wurde zunächst durch sinkende Preise für Energie und Agrarrohstoffe angetrieben und später durch eine sinkende Kerninflation (d. h. ohne Energie und Nahrungsmittel) unterstützt.

 

Die Güterinflation hat sich wieder normalisiert 

Die Lieferketten und der Welthandel wurden während der Pandemie tiefgreifend gestört: Der daraus resultierende Anstieg der Güterpreise war in den USA und in geringerem Maße auch in der Eurozone dramatisch. Vier Jahre nach dem Ausbruch der Pandemie haben sich diese Spannungen aufgelöst: Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes berichten, dass sich die Lieferzeiten wieder normalisiert haben (Schaubild 2) und die Kosten für Seefracht haben fast wieder das Niveau von 2019 erreicht (Schaubild 3).

In den Vereinigten Staaten kehrte die  Güterinflation auf ihr Vorpandemie-Niveau von nahezu 0% zurück. Die Rückkehr zur Normalität dauerte in der Eurozone länger, weil dort ein ganz besonderer Schock verdaut werden musste: der Anstieg der Energiepreise... insbesondere des Erdgases! Die Abwärtsbewegung der Inflation bei Industriegütern ist jedoch auch hier weitgehend in Gang gekommen, denn in den letzten drei Monaten sind diese Preise  sogar gesunken!

Die jüngsten Ereignisse im Roten Meer erinnern natürlich daran, wie anfällig der Welthandel für geopolitische Spannungen ist. Nach einer Reihe von Angriffen im Roten Meer haben mehrere große Reedereien ihre Schiffe durch den Suezkanal umgeleitet: Dadurch verlängern sich die Transportzeiten für Waren (der Umweg über das Kap der Guten Hoffnung verlängert die Strecken zwischen Europa und Asien um 30% bis 40%), und die Versicherungs- und Treibstoffkosten steigen erheblich an. Je länger diese Situation andauert, desto größer wird das Risiko, dass es auch zu weiteren Spannungen bei den Immobilienpreisen kommt...

 

 

Mietpreisinflation: Ein amerikanisches Problem auf dem Weg zur Normalisierung 

Auch die USA hatten mit einem ganz besonderen Problem zu kämpfen: dem dramatischen Anstieg der Mieten. Auch hier gehen die Dinge jedoch in die richtige Richtung. Seit nunmehr über einem Jahr haben sich die Mieten für Wohnungen, die auf den Mietmarkt kommen, deutlich verlangsamt (Grafik 4) und sind sogar leicht gesunken, wenn man dem von Appartment list veröffentlichten Index Glauben schenkt. Dass sich diese Verlangsamung nicht vollständig in dem von der BLS veröffentlichten Mietpreisindex widerspiegelt, sollte nicht überraschen: Der Index misst nämlich nicht nur die Mieten für neu vermietete Objekte, sondern alle von US-Haushalten gezahlten Mieten. Er ist daher von Natur aus träger. Ihre deutliche Verlangsamung seit Anfang letzten Jahres ist jedoch beruhigend und dürfte sich auch 2024 fortsetzen. Sie ist umso wichtiger, da die Mieten fast 33% des Verbraucherpreisindexes (und 41% des zugrunde liegenden Preis-Teilindex) ausmachen!

 

Dienstleistungspreise: eine noch nicht abgeschlossene Verlangsamung auf dem Weg zur Inflationskontrolle

Während sich die Güterpreise (und die Mieten in den USA) normalisiert haben oder sich in diesem Prozess befinden, wird eine dauerhafte Rückkehr der Inflation zu einem Tempo, das den Zielen der Zentralbanken besser entspricht, einen deutlicheren Rückgang der Dienstleistungspreisinflation erfordern. Bei den meisten dieser Dienstleistungen macht die Arbeit jedoch den größten Teil der Produktionskosten aus. Um den Kampf gegen die Preisinflation zu gewinnen, müssen die Zentralbanken also offenbar die Lohninflation unter Kontrolle bringen.

 

Die Fortsetzung folgt in einer der nächsten Episoden...

 

 

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