Inflation im Wandel?

Nicolas Forest, Global Head of Fixed Income, schlüsselt Inflationsszenarios auf und bietet Strategien zur Reduzierung der Sensitivität an  

Nicolas, können Sie uns die Situation schildern?

Im letzten Jahr hat die Inflation deutlich nach oben gedreht. Die US-Inflationszahlen stiegen auf die höchsten Niveaus seit Anfang der 1990er Jahre: Ende Juni erreichte der US-Gesamtverbraucherpreisindex 5,4 %. Dieser Inflationsschub war hauptsächlich auf die Wiederöffnung der Weltwirtschaft nach dem Covid-19-Schock zurückzuführen. In der Eurozone zieht die Inflation ebenfalls allmählich an.

Der Preisanstieg wird von einer Kombination verschiedener Faktoren angetrieben. Dazu zählen steigende Rohstoffpreise, Störungen in den Versorgungsketten und Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage. Diese Faktoren könnten sich als „vorübergehend“ erweisen. Der Anstieg der Transportkosten aufgrund der covidbedingten Beschränkungen in einigen Häfen, die Chipknappheit infolge der explosiven Nachfrage aus dem Technologiesektor und hohe Nutzholzpreise, die der Bauwirtschaft Probleme bereiten, liefern beispielhafte Gründe für den aktuellen Anstieg der Preise.

Doch je stärker sich die Covid-Varianten ausbreiten, umso mehr Engpässe bleiben bestehen und umso größer wird der Druck auf die Preise. So wie sich die Pandemie von Region zu Region unterschiedlich entwickelt, variiert auch die Konjunkturerholung. Daher könnte der temporäre Anstieg der Inflation länger dauern, als zunächst erwartet. Die vorübergehenden Störungen werden nicht über Nacht verschwinden. Unsere Ökonomen bei rechnen mit einer US-Inflation von rund 3,6 % am Ende dieses Jahres und vermuten, dass die Angebotsstörungen bei Chips noch das ganze erste Quartal des nächsten Jahres über anhalten werden. 2022 dürfte die Inflation dann wieder auf 2,3 % zurückgehen. Für die Eurozone prognostizieren wir einen vorübergehenden Anstieg der monatlichen Inflationsdaten über 2 % im zweiten Halbjahr, gefolgt von einer Abschwächung auf 1,6 % im Jahr 2022.

Preisstabilität das erste Mandat der Zentralbanken. Wie werden sie reagieren? Sind sie hinter der Entwicklung zurückgeblieben?

Nachdem die Zentralbanken zu beiden Seiten des Atlantik zu Beginn der Pandemie Anfang 2020 extrem expansive geldpolitische Maßnahmen ergriffen hatten, wird die schwungvolle Konjunkturerholung von der Pandemie den Weg für eine Normalisierung der Geldpolitik ebnen. Die Unterstützung wird aber in sehr behutsamen Schritten zurückgenommen werden, da die Zentralbanken den Inflationsschub als „vorübergehend“ beschreiben. Darüber hinaus zeigen die neuen geldpolitischen Rahmen Unterschiede zwischen den Ausblicken der Zentralbanken zu beiden Seiten des Atlantik auf. Daher ist es sinnvoll, die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank (Fed) gesondert zu betrachten.

Nach der strategischen Überprüfung im letzten Jahr hat die Fed jetzt zwei Ziele: Preisstabilität und ein Mandat für eine inklusivere Beschäftigung. Die Fed setzte sich ein flexibles Inflationsziel von durchschnittlich 2 % über einen längeren Zeitraum hinweg, das auch von der Arbeitsmarktlage abhängt. Daher kann die Fed ein Überschießen der Inflation zulassen, wenn die Arbeitsmarktlage ausreichend weit vom Ziel der maximalen Beschäftigung entfernt ist. Bei der letzten Sitzung des Offenmarktausschusses im Juni korrigierten die politischen Entscheider die Konjunkturprognosen – auch für die Inflation – nach oben. Diese Prognosen umfassten die Erwartung, dass die Notmaßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft dank der Impffortschritte und der Konjunkturerholung möglicherweise bald nicht mehr nötig sein könnten. Darüber hinaus signalisierte die Fed mit der Veränderung ihres „Dot Plots“ zwei Zinserhöhungen bis Ende 2023. Dies alles deutet darauf hin, dass die Zentralbank die Entwicklungen nicht verschlafen hat.

Mit Blick auf die EU scheint uns klar, dass die EZB die expansive Geldpolitik länger fortsetzen möchte als die meisten anderen Zentralbanken der Industrieländer. Die mittelfristige Inflationsprognose der EZB passt nicht zu ihrem Inflationsziel. Daher dürfte es ihr schwer fallen, es zu erreichen. Vor Kurzem beschloss die EZB einstimmig eine neue geldpolitische Strategie mit einem eindeutig symmetrischen Inflationsziel von 2 %. Außerdem werden in die Definition für den harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) künftig auch Kosten für selbstgenutzte Wohnimmobilien einfließen. Diese Veränderungen werden die Inflationsrate zwar nicht direkt in die Höhe treiben. Unserer Meinung nach sollten sie der EZB jedoch einen Rahmen bieten, der es dem Zentralbankrat ermöglicht, länger an der expansiven Geldpolitik festzuhalten. Zusammen mit einem vorteilhafteren makroökonomischen Umfeld und signifikanten staatlichen Impulsen dürfte der neue geldpolitische Rahmen dazu beitragen, die Inflation näher an das Ziel heranzubringen.

Was bedeutet das für die Inflationserwartungen an den Märkten?

Unserer Meinung nach sind die an den Märkten eingepreisten Inflationserwartungen zu niedrig.

Seit dem massiven Rückgang Anfang 2020 sind sie zwar deutlich gestiegen,doch unserer Meinung nach bieten globale inflationsgebundene Anleihen immer noch Chancen. Nach unseren Berechnungen liegen inflationsindexierte Euro-Anleihen zum Beispiel dauerhaft unter der geldpolitisch angestrebten Inflationsrate zurück,  selbst nach der Bereinigung um saisonale Schwankungen. Auch wenn sich ein beträchtlicher Teil des im zweiten Halbjahr erwarteten Anstiegs der Inflation in der Eurozone als vorübergehende Erscheinung erweisen dürfte, lassen die aktuellen Inflationserwartungen unter 1,5 %, nach Anpassung um saisonale Effekte, immer noch Spielraum für eine potenzielle Performance. Aus der historischen Perspektive sind die Inflationserwartungen allerdings immer noch weit entfernt von den Höchstwerten über 2 %, die 2011 von 10-jährigen Anleihen vorweggenommen wurden (siehe Abbildung).

Darüber hinaus sind die in US-Anleihen enthaltenen Break-even-Erwartungen nach dem Rückgang der Break-even-Inflationsraten vom Juni nicht sehrhoch. Wenn man die Überraschungen durch unerwartet hohe US-Inflationszahlen der letzten Monate betrachtet und sich die Tatsache vor Augen führt, dass die Fed offenbar keine Eile damit hat, ihre expansive Geldpolitik zurückzunehmen, sollten Anleihen unseres Erachtens allmählich höhere Inflationsrisikoprämienaufweisen.

Abbildung 1:  Break-even-Inflationsraten, US-amerikanische und europäische Anleihenmärkte

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Source: Bloomberg

Welche Anlagestrategien könnten für inflationsempfindliche Anleger angemessen sein?

Vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds und der erwarteten Normalisierung der globalen Angebotsprobleme rechnen wir mit einer Zunahme der Unterschiede unter Regionen, Sektoren und Emittenten.

Daher ist es wichtig, auf eine gute Diversifikation der Anlagen zu achten und globale Produkte mit breiten Anlageuniversen zu halten, die ein großes Spektrum von Performancetreibern bieten. Bei diesen Performancetreibern ist es entscheidend, die richtigen auszuwählen. Da die finanz- und geldpolitischen Ansätze unter den Regionen und Ländern nicht synchronisiert sind, rechnen wir mit signifikanten Unterschieden der Wachstums- und Inflationsaussichten unter den Regionen und einer größeren Streuung unter den Märkten. Hinzu kommen Megatrends wie Deglobalisierung, Dekarbonisierung und Digitalisierung, die nationale Strategien und Geschäftsmodelle infrage stellen oder aushebeln und die Unterschiede zwischen „Gewinnern“ und „Verlierern“ in jedem Universum verstärken werden.

Für festverzinsliche Anlagen würde ich drei Ansätze zur Bewältigung der Inflation vorschlagen, die eine gute Risikodiversifikation bieten können: Kurzfristige inflationsgebundene Anleihen, defensiv verwaltete Wandelanleihen und Absolute-Return-Strategien für Kredittitel.

  • Für Anleger, die eine Inflation oder steigende Inflationserwartungen fürchten, kann eine Allokation in kurzfristige inflationsgebundene Anleihen (kurze Duration) eine Möglichkeit sein. Bei inflationsgebundenen Anleihen ist es wichtig, zwischen Papieren, die auf das längere Ende ausgerichtet sind, und kurzfristigen Inflationsanleihen zu unterscheiden. Rein rechnerisch sind längerfristige Inflationsanleihen eine weniger wirksame Absicherung gegen eine Inflation, da die Laufzeitrenditen schwerer ins Gewicht fallen als Erträge, die aus einer realisierten Inflation entstehen könnten. Kurzfristige inflationsgebundene Anleihen bieten einen besseren Inflationsschutz, denn bei ihnen ist der Anteil der Inflationserträge höher als bei langfristigen Inflationsanleihen. Idealerweise sollte dies mit Break-even-Inflationsstrategien am kurzen Ende der Kurve kombiniert werden, um die Korrelation zur Inflation weiter zu steigern.
  • Wandelanleihen weisen unterschiedliche Konvexitäten bzw. Zinssensitivitäten auf. Sie werden einerseits wie Anleihen bewertet und andererseits wie Aktien gehandelt. An einem stabilen Markt kann ein Portfolio für verschiedene Kuponerträge strukturiert werden. Im Falle einer Inflation steht jedoch das Aktien-Engagement im Vordergrund. Unsere Defensive Convertibles-Strategie konzentriert sich auf Positionen mit geringer Zinssensitivität und geringer Volatilität. Der Fokus liegt auf Wandelanleihen, die auf Aktien mit einem derzeit niedrigen Kurs beruhen, unseren Analysen zufolge jedoch ein deutliches Wertsteigerungspotenzial an den Aktienmärkten besitzen, was die Sensitivität gegenüber Inflationsüberraschungen verringert.
  • Eine Outperformance des Eonia bei einem boomenden Aktienmarkt mag bescheiden erscheinen. Sie ist jedoch ein durchaus erstrebenswertes Ziel, wenn die Renditen den Inflationsdruck widerspiegeln. Unsere Long-Short-Kreditstrategie ist auf zwei Arten von Anlagechancen ausgelegt. Sie investiert in High-Conviction-Positionen (mit Long- und Short-Positionen), und in Relative-Value-Positionen (Long-Short-Chancen) in einem bestimmten Titel oder Emittenten. Diese Performancemotoren können sich gut ergänzen und so strukturiert sein, dass sie im Umfeld steigender Zinssätze ein Netto-Null-Engagement an den Anleihenmärkten aufrechterhalten.

Dieses Dokument dient ausschließlich Informationszwecken und stellt, vorbehaltlich ausdrücklicher anders lautender Vereinbarungen, weder ein Kauf- oder Verkaufsangebot für Finanzinstrumente noch eine Anlageempfehlung oder Transaktionsbestätigung dar. lässt bei der Auswahl der in diesem Dokument genannten Daten und ihrer Quellen größte Sorgfalt walten. Dennoch können Fehler oder Auslassungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. haftet nicht für direkte oder indirekte Schäden oder Verluste, die aus der Verwendung dieses Dokuments entstehen könnten. Die Rechte von am geistigen Eigentum sind jederzeit zu wahren. Eine Vervielfältigung des Inhalts dieses Dokuments ist nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung seitens zulässig.

empfiehlt Anlegern, vor der Anlage in einen unserer Fonds die auf unserer Webseite www.candriam.com hinterlegten „wesentlichen Anlegerinformationen“ (KIIDs) sowie den Verkaufsprospekt und alle anderen relevanten Dokumente zu lesen, einschließlich des Nettoinventarwert des Fonds. Diese Informationen sind entweder in englischer Sprache oder in der Sprache der Länder erhältlich, in denen der Fonds zum Vertrieb zugelassen ist.

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