Die Europäischen Märkte oder Walzer im Dreivierteltakt

Seit Jahresbeginn erleidet der europäische Markt - ebenso wie die anderen geografischen Regionen - eine heftige Korrektur. Der Markt wartet auf den Tiefpunkt, der das Startzeichen ist, von dem an er sich langfristig neu positionieren kann. Wir bei Candriam sind davon überzeugt, dass die europäischen Aktien sich im Dreiertakt entwickeln werden. Im Folgenden erläutern wir Ihnen die verschiedenen Phasen dieses Dreiertakts:

Erste Phase: die Value-Phase

Die seit Jahresbeginn zu beobachtende Korrektur an den Märkten hat vor allem den starken Anstieg der langfristigen Zinsen in den USA und Europa zur Folge. Das Phänomen der hohen Zinsen wirkt sich auf die Bewertungen der Unternehmen aus und in erster Linie auf die so genannten Qualitäts-/Wachstumswerte. Tatsächlich wird der aktuelle Zeitwert stark beeinflusst, da die zukünftige Bewertung der Cashflows automatisch nach unten korrigiert wird.

Wir erwarten, dass wir bei einem Anstieg der langfristigen US- und europäischen Zinsen um 100 Basispunkte ca. 15% an Bewertung aller Qualitäts-/Wachstumsaktien verlieren. Auch wenn wir eine kurzfristige Übertreibung bei der Entwicklung der langfristigen Zinsen nicht ausschließen können, sind wir der Überzeugung, dass wir uns einem Höchststand nähern.

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Wertentwicklungen der Vergangenheit sind keine Garantie für zukünftige Ergebnisse und bleiben im Laufe der Zeit nicht konstant.

Wir beobachten jedoch, dass viele Titel, die zum Ende des letzten Jahres übermäßig teuer geworden waren, heute wieder relativ attraktiv sind. Wenn wir in unsere Bewertungsmodelle einen risikofreien Zinssatz von 2,5 %[1] integrieren, erhalten wir ein durchschnittliches Aufwärtspotenzial von rund 20 % für unsere Strategie, die in innovative europäische Aktien[2] investiert, das eine eher starke Gewinndynamik zeigt. Wenn sich die Zinserwartungen unserer Ökonomen bestätigen, halten wir es für mehr als wahrscheinlich, dass wir uns dem Ende dieser ersten Phase des übermäßigen Verkaufs nähern. Denn trotz einer Volatilität, die wahrscheinlich anhält, dürften wir in der Nähe des Höchststands der langfristigen Zinsen und der Kerninflation[3] stehen, vor allem in den USA. Die Untergrenze, vor allem bei den Wachstumswerten, dürfte daher rasch erreicht werden und es den Letztgenannten ermöglichen, von einem erheblichen Aufwärtspotenzial zu profitieren. Nicht zu vergessen, dass der Teil Qualität/Marktwachstum, wie z. B. innovative Werte, durchschnittlich jährlich zwischen 8 % und 10 % der Bewertung generiert[4], ohne den Konsens zu übertreffen. Dieselben innovativen Werte neigen zudem dazu, den Markt im Hinblick auf die Gewinne pro Aktie positiv zu überraschen.

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Wertentwicklungen der Vergangenheit sind keine Garantie für zukünftige Ergebnisse und bleiben im Laufe der Zeit nicht konstant.

  • Growth-Aktien zeichnen sich im Allgemeinen durch ein höheres Gewinnwachstum aus und sind höher bewertet. Der MSCI© Europe Growth Index, der 50% der Marktkapitalisierung von MSCI© Europe darstellt, wird durch eine Faktorenanalyse des langfristigen und kurzfristigen Wachstums des Gewinns je Aktie (EPS), des aktuellen Wachstums und des langfristigen historischen Wachstums des EPS und des Umsatzes bestimmt.

  • Als „Value“ bezeichnete Aktien sind im Allgemeinen im Verhältnis zu ihren Gewinnen oder Vermögenswerten niedriger bewertet. Sie werden für den MSCI© Europe Value Index anhand eines Faktorenmodells des Kurs-Buchwert-Verhältnisses, des künftigen KGV und der Dividendenrendite definiert.

 

Zweite Phase: die Rückkehr des Wachstums

Auf der einen Seite verstärken die verschiedenen Maßnahmen der Zentralbanken, in erster Linie die Reduzierung ihrer Bilanz, aber auch ihre Zinserhöhungen, die Konjunkturabschwächung.

Andererseits leiden die meisten Länder unter einem zu hohen Verschuldungs- und Defizitniveau. Daher ist es für sie äußerst schwierig, das Wachstum in einem solchen Umfeld zu unterstützen. Die USA haben große Mühe, Ihre Investitionspläne abgesegnet zu bekommen, was ein perfektes Beispiel ist.

In den kommenden Quartalen dürften wir - zusätzlich zu den bestehenden Margenproblemen - ernsthafte Ertragsrisiken zu Gesicht bekommen. Sobald der Anstieg der langfristigen Zinssätze in den Markt integriert ist, sollten wir in einen „normalen“ Gewinnzyklus übergehen. Einige Unternehmen werden natürlich in Bezug auf ihre Gewinne verlangsamen, andere werden sich behaupten, und die großen Gewinner werden diejenigen sein, denen es gelingt, von den sich beschleunigenden Nischen zu profitieren. In diesen Basiszyklen entwickeln sich im Allgemeinen die Wachstumswerte überdurchschnittlich, wobei die Selektivität nach wie vor von entscheidender Bedeutung ist. Wir sehen zahlreiche Nischen, die in den kommenden Jahren strukturell zu einer solchen Prognosesicherheit bzw. zu einem Anstieg von Marktanteilen und Gewinnsteigerungen führen dürften; insbesondere für Unternehmen, die in den Bereichen Energiewende, neue Gesundheitstechnologien, Digitalisierung oder Automatisierung der Wirtschaft tätig sind.

Dritte Phase: Startschuss für die Zyklen

Der Zeitpunkt für den Startschuss dieser dritten Phase dürfte durch den von den Märkten im weiteren Sinne erreichten Tiefstand bestimmt werden. Dieser Tiefstand wird bestimmen, wann sich Anleger langfristig in einem erneut steigenden Markt positionieren können.

Was den Marktwachstum angeht sind wir wahrscheinlich, wie bereits erläutert, nicht weit von einer Talsohle entfernt. Der Nasdaq, ein perfektes Beispiel für diese Art von Werten, ist von über 16 000 Punkten auf derzeit 11 000[5] gefallen, was uns vermuten lässt, dass die Korrektur im Großen und Ganzen hinter uns liegt. Wir könnten eine weitere Übertreibung nach unten beobachten, aber die Widerstandsfähigkeit der Gewinne ist hoffentlich bald erreicht. 

Im Value-Bereich des Marktes erscheinen uns Bergbau- und Erdölunternehmen auf diesem Niveau sehr teuer. Sie integrieren in der Tat historisch hohe Rohstoffpreise, die durch vorübergehende Defizite auf Angebotsebene getrieben werden. Angesichts des derzeitigen globalen Konjunkturabschwungs, der sich 2023 sicherlich fortsetzen dürfte, dürften sich diese Rohstoffmärkte jedoch wieder ausgleichen.

Zudem ist historisch gesehen festzustellen, dass die Märkte, und insbesondere die zyklischen Werte, eine neue Phase des Konjunkturzyklus 6 bis 12 Monaten vorwegnehmen. Wenn das Festlegen eines bestimmten Zeitpunkts weiterhin kompliziert ist, können wir dennoch bis Ende2023 einen Tiefpunkt der Märkte in Betracht ziehen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass das geringste Anzeichen einer Beruhigung bei der Inflation, der Politik der Zentralbanken und vor allem der Beschäftigung in den USA kurzfristig eine vorübergehende Erholung der Märkte auslösen könnte. Diese potenzielle Erholung an der Börse dürfte jedoch als Chance für Gewinnmitnahmen dienen, anstatt als Signal für eine echte nachhaltige Konjunkturerholung interpretiert zu werden.

 

[1] Das Niveau des risikofreien Zinssatzes wird auf der Grundlage des Engagements in den Unternehmensgewinnen in Europa und den USA berechnet. Der europäische Zinssatz beträgt 2,25 % und der in den USA 3,25 %.
[2] Das durchschnittliche Aufwärtspotenzial aller Werte des Innovationsportfolios und unter Berücksichtigung der Schlusskurse zum 17. Juni 2022.
[3] {2∙Die Kerninflation oder die zugrundeliegende Inflation ist die Schwankung der Kosten für Waren und Dienstleistungen, umfasst jedoch nicht jene des Lebensmittel- und Energiesektors.
[4] {2⇢Die durchschnittliche jährliche Schätzung seit dem 31.12.2016 auf Basis des Innovation-Portfolios vom 17. Juni 2022.
* P/E: Börsenkennzahl, die dem Verhältnis zwischen dem Börsenwert eines Unternehmens und seinen Gewinnen entspricht.
[5] Nasdaq 100: 16 565 Punkte am 27.12.2021; 11 037 Punkte am 16.06.2022

  • Geoffroy Goenen
    Geoffroy Goenen
    Head of Fundamental European Equity Management

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