Kreditmärkte im Fokus: Selektive Stärken gezielt nutzen

Die Optik der Resilienz

Auf den ersten Blick strahlt das aktuelle Kreditumfeld Stabilität aus:

  • Die Renditen bleiben sowohl in den USA als auch in Europa auf hohem Niveau und bieten Anlegern sowohl bei Investment Grade (IG) als auch bei High Yield (HY) ein attraktives Carry.
  • Das fundamentale Umfeld hat sich bislang als robust erwiesen
  • . Die Ergebnisse des ersten Quartals waren im Großen und Ganzen stabil, und obwohl noch keine Klarheit über das zweite Quartal besteht, sind die Ausfallquoten niedrig geblieben, und die Rating-Migration hat keine alarmierenden Trends gezeigt.
  • Die technischen Aspekte sind gleichermaßen konstruktiv. Nach den Abflüssen rund um den "Liberation Day" zu Beginn dieses Jahres sind die Kapitalströme mit Macht zurückgekehrt und haben nicht nur frühere Verluste wettgemacht, sondern diese sogar noch übertroffen. Bei den IG-Krediten wurde der Rekordabsatz von den Anlegern größtenteils gut aufgenommen, während der Absatz bei den HY-Anleihen zurückhaltend blieb, was die Spreads natürlich stützte.
  • Die Zentralbanken haben ein unterstützendes Umfeldgeliefert. Die Europäische Zentralbank hat ihre Geldpolitik entschieden gelockert, während die US-Notenbank bereit zu sein scheint, ihren seit langem erwarteten Lockerungszyklus einzuleiten, da sich die Inflation nun einem Niveau nähert, das mit einer vorsichtigen Zinssenkung vereinbar ist.
  • Die Fiskalpolitik hat zusätzlich Rückenwind geliefert: Die USA setzen weiterhin auf umfangreiche staatliche Unterstützung durch das "Big Beautiful Bill", während Deutschland ein bedeutendes Konjunkturpaket vorgeschlagen hat. Oberflächlich betrachtet, könnte das Wachstum durchaus positiv überraschen. Warum sich also Sorgen machen?

 

Selbstzufriedenheit angesichts von Komplexität

Unter der oberflächlichen Ruhe verbirgt sich ein Dickicht von Unsicherheiten, das die Märkte nur allzu bereitwillig zu ignorieren scheinen. Dazu gehört vor allem der anhaltende Zollkrieg, eine ungelöste geopolitische Bruchlinie, die weiterhin einen langen Schatten wirft. Da im August eine neue Frist abläuft und kaum etwas über die Struktur oder den Inhalt eines eventuellen Handelsabkommens bekannt ist, bleibt die makroökonomische Lage trübe. Diese Undurchsichtigkeit wirkt sich insbesondere auf die Inflation aus - ein zentrales Anliegen der Fed -, die nach wie vor von unvorhersehbaren Tarifentwicklungen abhängt.

Während der Konsens immer noch zur Lockerung tendiert, ist die Rhetorik der Fed zunehmend uneinheitlich. In der Zwischenzeit ist die politische Einmischung - insbesondere der Druck von Präsident Trump auf die nominell unabhängige Fed - nicht unbemerkt geblieben und hat die geldpolitischen Aussichten noch unberechenbarer gemacht.

 Außerdem sind die viel gepriesenen fiskalischen Anreize möglicherweise weniger wirksam als die Schlagzeilen vermuten lassen. In den USA werden mit einem großen Teil des Pakets lediglich bestehende Steuersenkungen verlängert, anstatt der Wirtschaft neues Kapital zuzuführen. Unternehmen, die bereits mit hohen Refinanzierungskosten und politischer Ungewissheit zu kämpfen haben, werden ihre Investitionsausgaben unter diesen Bedingungen wahrscheinlich nicht erhöhen.

 

Geografische Differenzierung: Eine Verschiebung zugunsten von EuropeanCredit

Eines der hartnäckigsten Missverständnisse über Kreditmärkte ist die Annahme, dass sie einheitlich, homogen und weitgehend synchronisiert sind. Viele Anleger neigen dazu, von "Credit" als einer einzigen Anlageklasse zu sprechen und dabei Geografien, Sektoren, Laufzeiten und sogar Instrumente in einen Topf zu werfen. In Wahrheit sind die Kreditmärkte alles andere als monolithisch. Sie sind komplex, fragmentiert und voller Dispersion und bieten eine reichhaltige und abwechslungsreiche Landschaft, die eine sorgfältige Auswahl und Kalibrierung erfordert.

Eines der deutlichsten Beispiele für die Streuung ist derzeit die transatlantische Divergenz zwischen den US-amerikanischen und den europäischen Kreditmärkten. In fast allen Bereichen bietet European Credit ein überzeugenderes Bild.

Besonders attraktiv sind die Bewertungen in Europa. Obwohl die Europäische Zentralbank die Zinssätze in den letzten 18 Monaten bereits achtmal gesenkt hat, bieten Euro-IG-Kredite immer noch Renditen von rund 3 %, während Euro-HY-Anleihen nördlich von 5,5 % rentieren. Unter Berücksichtigung der Kosten für die Währungsabsicherung rentieren US-amerikanische IG- und HY-Anleihen für Euro-Anleger nur 2,7 % bzw. 4,7 %. Was den reinen Carry betrifft, so haben die europäischen Kredite eindeutig die Oberhand.

Auch die Fundamentaldaten sprechen für Europa. Auf den Euro-Kreditmärkten war der Rating-Drift positiver, und es gab mehr Heraufstufungen als Herabstufungen. Die Rising Stars - Emittenten, die von HY zu IG wechseln - übertreffen die Fallen Angels, die den umgekehrten Übergang vollziehen. Darüber hinaus hat Euro HY einen höheren Anteil an Schuldtiteln mit BB-Rating als die USA, wo der Anteil an Schuldtiteln mit B-Rating und darunter höher ist. Der Verschuldungsgrad ist in Europa im Allgemeinen niedriger, und die Generierung von Free Cashflow bleibt solide, was insgesamt ein gesünderes Kreditbild ergibt.

Technische Faktoren bestärken diese Ansicht. Euro-IG-Kredite haben bedeutende Zuflüsse verzeichnet, da die Investoren beginnen, von US-Kreditsegmenten zu europäischen umzuschichten. Gleichzeitig blieb die Emission im Euro HY-Segment relativ verhalten, was die Marktdynamik durch den geringeren Angebotsdruck unterstützte.

 

Jenseits der Geographie: Differenzierung auf Sektorebene

Die regionalen Unterschiede sind jedoch nur ein Teil des Puzzles. Die Auswahl des Sektors ist entscheidend. Die verschiedenen Sektoren reagieren unterschiedlich empfindlich auf makroökonomische Trends, geopolitische Verschiebungen und konjunkturellen Druck.

  • Die Sektoren TMT (Technologie, Medien und Telekommunikation) und Gesundheitswesen sind in einem volatilen Umfeld tendenziell widerstandsfähiger, während zyklischere Branchen wie die Automobilindustrie und der Einzelhandel anfällig für Veränderungen in der Verbrauchernachfrage, der Handelspolitik und Unterbrechungen der Lieferketten bleiben.
  • Der Energiesektor, der stark von den Rohstoffpreisen abhängt, wird derzeit durch ein schwächeres makroökonomisches Umfeld und niedrigere Ölpreise herausgefordert.
  • Der Verpackungssektor hingegen bietet aufgrund seines oligopolistischen Charakters (hoher Konzentrationsgrad und Preismacht) einzigartige Möglichkeiten.

 

Auch die Kapitalstruktur spielt eine Rolle: Der Fall von Financial Debt

Die Kapitalstruktur ist eine weitere Ebene der Selektivität. Innerhalb des Schuldenstruktur eines einzelnen Emittenten haben sich nachrangige Schuldtitel und hybride Instrumente im aktuellen Umfeld hervorgetan. Diese Instrumente bieten oft höhere Renditen ohne ein entsprechend höheres Kreditrisiko, insbesondere wenn sie von Unternehmen hoher Qualität begeben werden. Für Investoren, die sich mit der strukturellen Komplexität auskennen, bieten solche Positionen ein überzeugendes Risiko-Rendite-Profil.

Nachrangige Bankanleihen in Europa stellen derzeit eine attraktive Anlagemöglichkeit dar, da sie Renditen von über 5 % bieten - ein Carry-Niveau, das mit dem von europäischen Hochzinsanleihen im BB-Segment vergleichbar ist. Die Anlageklasse wird durch solide Fundamentaldaten gestützt, wobei die Banken eine robuste Eigenkapitalrendite, starke Kapitalpuffer und gesunde Zinsdeckungsquoten aufweisen. Darüber hinaus ist das Emissionsvolumen nach wie vor moderat und wird vom Markt gut absorbiert, was die anhaltende Nachfrage der Anleger widerspiegelt. Nachrangige Bankschuldverschreibungen bieten somit eine überzeugende Brücke zwischen Investment-Grade- und High-Yield-Krediten, die Qualität mit einem höheren Renditepotenzial verbinden.

 

Während Kreditmärkte weiterhin durch selektive Stärken und zugrunde liegende Unsicherheiten navigieren, sollten Investoren die Expertise erfahrener Kreditinvestment-Profis nutzen, um attraktive Chancen – wie im europäischen Kreditmarkt – zu identifizieren. Die Sommerpause, oft geprägt von geringerer Marktliquidität und potenziell erhöhter Volatilität, unterstreicht die Bedeutung professioneller Beratung. Experten können Investoren einen strategischen Vorteil verschaffen und ihnen helfen, ihre Anlageziele auch unter herausfordernden Marktbedingungen zu erreichen.

  • Charudatta Shende
    Head of Client Portfolio Management Fixed Income and Fixed Income Strategist
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