ESG: Für institutionelle Anleger immer wichtiger

Marie Niemczyk, Head of Insurance Relations bei Candriam, erklärt, warum ESG zunehmend zu einem zentralen Thema für institutionelle Anleger wird, insbesondere für Versicherungsgesellschaften.

 

Warum wird ESG für institutionelle Anleger immer wichtiger?

Marie Niemczyk: Wer Nachhaltigkeitsprobleme und ESG-Faktoren nicht beachtet, läuft Gefahr, seine Investments unerwünschten Risiken auszusetzen. Nachhaltigkeitsrisiken wie der Klimawandel können den Wert von Vermögenswerten in einem Investmentportfolio beeinträchtigen. Dies kann direkt infolge von physischen Auswirkungen des Klimawandels oder als Ergebnis der Energiewende entstehen. Durch den Klimawandel können folglich Störungen in Versorgungsketteneintreten, die finanzielle Verluste nach sich ziehen. Unternehmen, die sich nicht an den Wandel zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft anpassen, können zu „gestrandeten Vermögenswerten“ werden. Hinzu kommen Reputationsrisiken. Unternehmen mit Problemen bei ökologischen, sozialen oder Governance-Aspekten können ungewollt Schlagzeilen machen. In dieser Hinsicht war in den letzten Jahren ein zunehmend auffälliger Trend zu beobachten, da die Medien nicht nur die schwarzen Schafe unter den Unternehmen, sondern sogar ihre Anleger aufs Korn nahmen. Neben diesen Risiken und dem Wunsch, sie zu vermeiden, erkennen die Anleger aber auch immer deutlicher, dass ESG eine Reihe von Chancen bieten kann.

  • Marie Niemczyk
    Head of ESG Client Portfolio Management
Neben diesen Risiken und dem Wunsch, sie zu vermeiden, erkennen die Anleger aber auch immer deutlicher, dass ESG eine Reihe von Chancen bieten kann.
Marie Niemczyk, Head of Insurance Relations

Wenn Europa in ESG-Fragen die Nase vorn hat, sollen dann die Schwellenländer immer noch ignoriert werden?

Wir unterhalten uns häufig über die Frage, ob ESG für Schwellenländer im Hinblick auf institutionelle Anleger sinnvoll ist, vor allem, nachdem das Niedrigzinsumfeld die geografische Diversifikation begünstigt. Einerseits mag es scheinen, als würden Schwellenländer weniger zuverlässigen Daten, unterschiedlichen Offenlegungs- und Governance-Standards und andersartigen Eigentumsstrukturen bieten. Andererseits könnte man die Auffassung vertreten, dass ESG-Risiken in Schwellenländern ausgeprägter sind und ihre Vermeidung daher zu besseren Anlageergebnissen führen sollte.

Angesichts dieser Aspekte haben wir eine Studie durchgeführt, bei der wir die Entwicklung von Schwellenländeraktien im Zeitraum von 2008 bis 2018 untersucht haben. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beachtung von ESG-Kriterien bei Anlagen in Schwellenländern potenziell positive Auswirkungen auf die risikobereinigte Performance haben kann. Außerdem untersuchten wir, was eine ESG-Herabstufung für die Wertentwicklung einer Aktie bedeutet. Die Studie ergab, dass sich Aktien nach einem Ausschluss aus dem ESG-konformen Universum in der Regel über ein bis drei Jahre unterdurchschnittlich entwickeln. Studien wie diese zeigen, dass die Berücksichtigung von ESG-Faktoren tatsächlich auch bei Anlagen in Schwellenländern sinnvoll sein kann. Um die jeweiligen Nuancen der Beurteilung von ESG-Faktoren in Schwellenländern besser zu bewerten, ist jedoch ein spezialisiertes Researchteam nötig.

 

Durch Regulierungen wird das Anlageuniversum letztlich kleiner, was viele Fragen bei den  Anleger aufwerfen kann ...

Der Ausschluss oder die Reduzierung bestimmter ESG-Risiken kann zwar zu Veränderungen in den Portfolios führen, aber auch signifikante Vorteile bieten. Infolgedessen erkundigen sich tatsächlich immer mehr Anleger nach ESG-Strategien. Entscheidungsträger bei Versicherungsunternehmen und Pensionskassen sind sich zunehmend bewusst, dass ESG Mehrwert im Risikomanagement schaffen und damit zu den Anlageergebnissen beitragen kann. Doch nicht jeder Ansatz und nicht jede Implementierungsmethode eignet sich für alle. Wir helfen unseren Kunden, die richtige Lösung zu finden – das kann von Ausschlussregeln, Best-in-Universe- und Integrationsansätzen bis zu Lösungen für die Dekarbonisierung des Portfolios und Impact Investments reichen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Die Regulierung führt ebenfalls zu einer größeren Transparenz und zu einer ausführlicheren Offenlegung. So verpflichtet die Offenlegungsverordnung der EU (SFDR) die Akteure an den Finanzmärkten, einschließlich Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen, über ihre ESG-Risiken und potenziell nachteilige Auswirkungen auf ESG-Faktoren sowohl auf Organisations- als auch auf Produktebene zu berichten. Das ist ein wichtiger Treiber der ESG-Akzeptanz. Es wird manche Versicherungsgesellschaften auch dazu veranlassen, sich Gedanken über die Chancen zu machen, die ihnen nachhaltiges Investieren im Hinblick auf die Produktentwicklung und die kommerzielle Positionierung bieten könnte.

 

Anleger treten in den Dialog mit Unternehmen ein, um sicherzustellen, dass diese langfristig nachhaltige Werte schaffen können. Was haben sie festgestellt? Sind die Unternehmensleitungen offen dafür und bemühen sie sich, die angesprochenen Probleme anzugehen?

Im Stewardship-Bereich setzen wir auf zwei Säulen. Eine davon ist das Engagement. Hier suchen wir sowohl den direkten Dialog mit Unternehmen und führen Dialoge  über gemeinsame Initiativen zusammen mit anderen Vermögensverwaltern und Investoren. Im direkten Dialog konzentrieren wir uns auf konkrete Themen in drei Bereichen: Energiewende, faire Arbeitsbedingungen und Unternehmensethik. Durch enge Kommunikation und aufmerksames und kritisches Zuhören können wir als Anleger sowohl Veränderungen bewirken als auch besser verstehen, warum sich ein Unternehmen auf eine bestimmte Weise entwickelt im Hinblick auf dessen ESG-Performance. Aus den öffentlich verfügbaren Informationen ist dies nämlich nicht immer klar ersichtlich. Darüber hinaus, und das ist natürlich sehr wichtig, ermutigen wir Unternehmen, verbesserte Richtlinien und Praktiken umzusetzen.

Die zweite Stewardship-Säule ist die Stimmabgabe, also die aktive Teilnahme am Abstimmungsprozess. Bei Candriam verschaffen wir uns seit langem Gehör als aktiver Aktionär und haben unsere Richtlinie zur Stimmrechtsausübung im Jahr 2003 formell festgelegt.

Indem wir also einen offenen, ehrlichen Dialog aufnehmen und bei Abstimmungen sowie Aktionärsinitiativen und -beschlüssen eine aktive Rolle einnehmen, tragen wir dazu bei, die Unternehmen zur Verbesserung ihrer ESG-Leistungen zu motivieren.

 

In den letzten Jahren ist insbesondere die Unternehmensethik für Verbraucher und Anleger zunehmend wichtiger geworden. Was ist Candriams vorrangiges Interesse in diesem Bereich?

Hier geht es um alle möglichen Aspekte. Gleiche Chancen für Männer und Frauen, Lobbyarbeit, insbesondere in Bezug auf große Unternehmen, die Vergütung der Unternehmensleitung, die Rolle der Gewerkschaften, der Dialog zwischen Gewerkschaften und Mitarbeitenden, die Interaktion mit Zulieferern, aber auch die Preisgestaltung – zum Beispiel bei Pharmakonzernen – sowie viele weitere Gesichtspunkte, die uns beschäftigen.

 

Viele Anleger sehen sich mittlerweile genau an, in welche Unternehmen sie investieren, während sie zugleich die zusätzliche Last des erweiterten Risikomanagements und der Regulierung auf sich nehmen. Wie geht der Sektor damit um?

Wir sollten den Hut davor ziehen, wie institutionelle Anleger, also zum Beispiel Pensionskassen und Versicherungsunternehmen, in den letzten Jahren mit den zunehmenden Regulierungen und neuen Anforderungen, wie beispielsweise veränderten Rechnungslegungsbestimmungen, zurechtgekommen sind. Darüber hinaus wurde die Komplexität des Niedrigzinsumfelds durch den steigenden Preisdruck verschärft, was möglicherweise zur Konsolidierung und zu Veränderungen von Unternehmensstrukturen geführt hat. In diesem Umfeld ist es für institutionelle Anleger wichtig, den richtigen Partner an ihrer Seite zu haben. Dies ist ein weiterer Grund, warum Vermögensverwalter die Lösungen, die sie bieten, ausweiten und anpassen mussten. Wenn wir Anlegern, die wir hier bei Candriam als Partner betrachten, attraktive Lösungen bieten möchten, müssen wir nicht nur die Regulierungsbestimmungen verstehen, sondern sie auch in unsere Anlagelösungen einbeziehen. Wir müssen die Rechnungslegungsvorschriften in unseren Anlagelösungen berücksichtigen. Im Hinblick auf Regulierung und Rechnungslegung bedeutet dies, dass wir im Wesentlichen die gleiche Sprache wie Versicherungsunternehmen, Pensionskassen und institutionelle Kunden sprechen müssen.

Wir möchten entlang der gesamten Anlage-Wertschöpfungskette für unsere Kunden da sein. Zu diesem Zweck klären wir mit unseren Kunden genau ab, welche ESG-Grundsätze und -Strategien sich am besten für sie eignen und welche potenziellen Folgen es für das Portfolio haben könnte, wenn wir die Dinge so oder so gestalten würden.

 

Das alles hat jedoch seinen Preis ...

Das Niedrigzinsumfeld in Verbindung mit der aktuellen Covid-19-Krise zwingt uns dazu, alles genau unter die Lupe zu nehmen, nicht zuletzt unsere Kosteneffizienz und die Kosteneffizienz der Anlagelösungen, die wir anbieten. Trotz des schwierigen Umfelds müssen wir Performance erzielen und die Kosten im Auge behalten.

 

Warum sollten sich Anleger Candriam genauer ansehen?

Wir haben eine große Fachkompetenz, die für institutionelle Kunden attraktiv ist. Wir sind ein mittelgroßes Unternehmen, das durch eine große, finanziell robuste Gruppe unterstützt wird. Nichtsdestotrotz verfügen wir über die nötige Flexibilität um die richtigen Teams zusammenzustellen damit wir unseren Kunden maßgeschneiderte Anlagelösungen bieten können. Wir haben die internen Ressourcen entwickelt, die für institutionelle Kunden wichtig sind. Dazu zählen zum Beispiel Spezialisten im Versicherungsbereich, Spezialisten für Pensionsfonds und unsere firmeninternen Aktuare, die mit der Situation bei Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds sehr gut vertraut sind. Das bedeutet, dass unsere Teams verstehen, was unsere Kunden brauchen und welchen finanziellen, regulatorischen und buchhalterischen Auflagen sie unterliegen.

Zu guter Letzt kann Candriam eine lange Erfolgsbilanz bei Anlagen mit ESG-Fokus vorweisen, zumal wir unseren ersten nachhaltigen Fonds im Jahr 1996 aufgelegt haben. Im Laufe der Zeit haben wir ein umfassendes firmeninternes ESG-Research etabliert, welches die Branchenkenntnis von ESG-Analysten mit topaktuellen ESG-Daten führender Anbieter verbindet. Dadurch können wir das Beste aus beiden Welten bieten: ESG-Kompetenz und einen maßgeblichen Fokus auf institutionelle Kunden.

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